Der Zauber des Anfangs

Ich habe voller Leidenschaft gegründet. Während meiner nächtlichen Stillphasen 2015 habe ich damals die Blogs der Online Nähwelt entdeckt. Ich war begeistert, fing Feuer, habe gelesen und kommentiert was das Zeug hält. 2016 habe ich selbst einen Blog gestartet. Meine Stoffquelle damals war oft der Stoffmarkt. Oft war ich aber von der Qualität enttäuscht. Darum habe ich mich auf die Suche nach Stoffen, wie sie die Modeindustrie verwendet werden, gemacht. Aber bitte in Bio, war schon damals mein Gedanke. Dazu hab es (damals noch unbekanntere) Labels, die Modestoffe für Erwachsene abseits des “Bienchen und Blümchen” Mainstreams anboten. Das Angebot nachhaltiger und modischer Stoffe online war damals relativ klein. Ich fand über meinen Dawandashop schnell Kunden. Facebook habe ich damals nicht genutzt, das war nicht “meine Community”, die war in der Bloggerwelt unterwegs. Dann kam der Umschwung auf Instagram. Schneller geteilt, an einem Ort (statt auf zig einzelnen Blogs) Austausch mit Vielen. Wer interessiert war, hat auf dem Blog weitergelesen. Ich habe so ganz einfach den Kontakt zu meiner Community gehalten und dabei Werbung für meinen Shop gemacht. Kurz gesagt – Instagram half mir Verkäufe zu generieren. Das Ende von Dawanda war nur der letzte Anstoß einen eigenen Onlineshop auf die Beine zu stellen – denn die Gebühren für die gängigen Verkaufs-Plattformen waren einfach (zu) hoch.

Ein mutiger Schritt für meinen Traum

2019 habe ich mir mit meinem eigenen Laden einen Traum erfüllt. Alles hat gepasst – die Miete war bezahlbar, der Laden bereit zum Einzug, ganz ohne teure Renovierungsarbeiten. Das Risiko war überschaubar und (auch vor Allem) Dank Instagram war ja der Kontakt zu meinen Kundinnen leicht. Viele virtuelle Bekanntschaften sind in der Zeit zu mir in den Laden gefahren, trotz weiter Anreise. Die Events wie After-Work-Shopping waren mit Freude und schönen Stunden verbunden – und sie waren umsatzstark. Für die Rentabilität eines Ladens natürlich unerlässlich.

Nachhaltiger Konsum

Aber… Ich habe schon damals festgestellt, dass die Selbstständigkeit für mich auch Schattenseiten hat. Ich wusste, dass ich nicht mein ganzes Arbeitsleben im Einzelhandel bleiben will. Ehrlichkeit war mir immer wichtig im Umgang mit meinen Kundinnen. Heißt ich habe lieber zweimal mitgerechnet wie groß der Stoffbedarf denn tatsächlich ist. Auch auf die Frage ob den einer betreffenden Person eine bestimmte Stofffarbe stehe, habe ich ehrlich geantwortet. Selbst wenn das bedeutet hat, dass ich keinen passenden Stoff im Sortiment hatte.
Und da kommen wir an den Punkt der für mich schwierig wurde. Ein rentables Unternehmen aufzubauen, das für nachhaltigen Konsum steht, ist schwer. Denn bewusster Konsum bedeutet eben manchmal auch Verzicht (also kein Einkauf von neuen Stoffen, weil man gar nichts Neues braucht und eh noch Stoff zu Hause liegen hat). Somit muss man einen wesentlich größeren Kundenkreis generieren um gewinnbringend zu wirtschaften. Spätestens da war ich an dem Punkt, wo nicht mehr alles nur Leidenschaft und 100% Überzeugung war. Denn die Veränderungen durch Corona, die politische Lage und die Energiekrise haben für viele von uns die Lebenshaltungskosten so stark erhöht, dass für manchen Luxus einfach kein Geld übrig bleibt.
Bio ist nicht gleich Bio.
Es gibt Stoff(groß)händler da unterschreibe ich jeden Gedanken des Unternehmens. Da ist wirklich 100% Nachhaltigkeit drin. Und dann gibt es Stoff(groß)händler, die bieten “Bio-Stoffe” zu einem Preis an, bei dem man sich fragen muss wie streng denn die Kriterien sind. Der Endkunde denkt natürlich, warum soll ich mehr als 20€/Meter für einen Stoff bezahlen, wenn Bio doch auch billig(er) geht.

Die Abhängigkeit von Instagram undd Google

Langsam aber sicher kam dann auch die Veränderung bei Instagram für mich. Früher war die App ein fröhlicher Ort zum lockeren Austausch. Mein Content war “nebenbei” zu produzieren – es war ja meine Leidenschaft, warum also nicht ein nettes Flatlay und ein schnelles Tragefoto für Insta machen. Natürlich hat eine Abhängigkeit von einer App auch Schattenseiten. Denn wenn Instagram andere Trends aufgreift und seine Inhalte anpasst, muss man mitmachen oder gehen. Mit meiner Abhängigkeit durch die Selbstständigkeit war Gehen erstmal keine Option. Und Reels sind ja auch irgendwie fancy – ein bisschen Witz, eine große Portion Ironie und am besten sehr viel “snackable Content” (die geballte Ladung Wissen vermitteln, aber auf unterhaltsame Art und Weise verpackt – natürlich umsonst). Was als Spaß begann war oft ein unglaublicher Zeitfresser… Nicht nur einmal war der Frust am Ende groß, wenn die investierte Zeit im Nichts verhallte, weil der Post quasi niemandem angezeigt wurde.
Aber zum Glück gibt es ja nicht nur Instagram – auch über Google kann ein Unternehmen Kunden gewinnen. Suchmaschinenoptimierung ist ein sperriger Begriff, der nicht weniger kompliziert ist, aber eine völlig andere Perspektive benötigt, als die Contentproduktion für Social Media. Hier habe ich mir zum ersten Mal professionelle Hilfe ins Boot geholt. Leider war die Zusammenarbeit mit der ersten Agentur ein totaler Flop – viel Zeit und Geld waren futsch und damit mein Vertrauen in eine Agentur generell gemindert.

War dann alles umsonst?

All das sind nur einzelne Facetten meiner Erfahrungen die ich in den letzten Jahren gemacht habe. Ich will mit diesem Text keineswegs Jammern über die weniger schönen Erlebnisse und Veränderungen. Das waren Puzzleteile die sich über die Zeit für mich zu einem Ganzen zusammengefügt haben. Der Großteil der Erlebnisse war wundervoll und ich bin stolz auf das was ich erreicht habe. Ich habe meine Kenntnisse in so vielen Bereichen erweitert, weiß jetzt ein wenig genauer, was ich nicht will und habe einfach meinen Horizont um wertvolle Erfahrungen erweitert! Aber am Ende bin ich noch ein kleines bisschen mehr stolz auf mich, dass ich meinen Traum auch aufgeben konnte. Denn manchmal ändern sich Träume und dann ist es gut, sie loszulassen und weiterzugehen.

To be continued….

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